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„Weltflucht und Moderne“: Museum Wiesbaden präsentiert Größe des Jugendstils

Oskar Zwintscher zählt zu den großen künstlerischen Wiederentdeckungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und des Museums Wiesbaden. Das Museum in der Friedrich-Ebert-Allee zeigt jetzt bis Ende Juli die großangelegte Ausstellung "Weltflucht und Moderne. Die Schau zeigt ikonische Porträts, brilliante Zeichnungen und Karikaturen, Beispielen angewandter Kunst und idyllische Landschaften.

Von Wiesbadenaktuell
erstellt am 03.03.2023, 16:08 Uhr
Das Museum Wiesbaden zeigt  bis Ende Juli die großangelegte Ausstellung "Weltflucht und Moderne".
Das Museum Wiesbaden zeigt bis Ende Juli die großangelegte Ausstellung "Weltflucht und Moderne".
Das Museum Wiesbaden zeigt bis Sonntag, 23. Juli, eine großangelegte Ausstellung von Oskar Zwintscher. Zwintscher zählt zu den bedeutenden künstlerischen Wiederentdeckungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und des Hessischen Landesmuseums. Sein Werk kehrt nach 114 Jahren nach Wiesbaden zurück.

Ikonische Porträts, brilliante Zeichnungen und Karikaturen

"Weltflucht und Moderne" verortet den Porträtkünstler, der bereits zu Lebzeiten Ausstellungserfolge in Wiesbaden feierte, in der Kunst des Jugendstils und des Symbolismus. Fast 60 Gemälde, darunter Porträts von prominenten Mitgliedern der Gesellschaft der Jahrhundertwende oder Zwintschers Muse und Ehefrau Adele ziehen die Blicke ihrer Betrachter:innen in ihren Bann.

Die Schau spannt mit ikonischen Porträts, brillianten Zeichnungen und Karikaturen, Beispielen angewandter Kunst bis hin zu idyllischen Landschaften den Bogen von Zwintschers künstlerischen Anfängen bis hin zu seinem Spätwerk.

Vita Oskar Zwintscher

Oskar Zwintscher (1870, Leipzig–1916, Loschwitz) studierte Kunstgewerbe in Leipzig und Malerei an der Kunstakademie in Dresden. Einen Namen machte er sich als Porträtmaler, Werbegrafiker und Karikaturist für Zeitschriften wie „Meggendorfers humoristische Blätter“ oder „PAN“. 1898 zeichnete die Schokoladenfabrik Stollwerck Zwintscher für die Gestaltung berühmter Sammelbilder aus. Wiesbaden zählte schon 1899 zu den Stationen seiner Ausstellungstournee.

Zwintscher stand der Reformbewegung nahe und pflegte Kontakt zu den Künstlervereinigungen der Jahrhundertwende u.a. der Künstlerkolonie in Worpswede, der Berliner Bohème oder der Münchner Secession. 1904 erhielt der Maler eine Professur an der Dresdener Kunstakademie, während renommierte Museen seine Kunst erwarben. 1909 wurden seine Arbeiten bereits zum zweiten Mal im Wiesbadener Rathaus ausgestellt.

Werke Oskar Zwintschers

In diesem Jahr kaufte das Museum Wiesbaden ein Porträt des Schauspielers Ferdinand Gregori an. Heute befinden sich drei seiner Gemälde und eine Papierarbeit in der musealen Sammlung. Zwintscher verstarb bereits 1916 und das Ausstellungsprojekt Weltflucht und Moderne ist das Ergebnis jüngster Forschungsprojekte in Dresden.

Erweckungserlebnis 2019

„Das ‚Erweckungserlebnis‘ fand 2019 statt, als mit der Schenkung einer der größten europäischen Privatsammlungen des Jugendstils und Symbolismus durch Ferdinand Wolfgang Neess auch zwei wunderbare Porträts von Oskar Zwintscher ins Museum gelangten. Erst im Anschluss wurde uns bewusst, dass sich bereits seit 1909 ein Werk des Künstlers im Hause befindet. Es handelt sich um das Porträt von Dr. Ferdinand Gregori, das sich, einmal im Fokus und ausgestellt, in seiner ganzen inhaltlichen Tiefe und malerischen Qualität wie eine Neuerwerbung anfühlte,“ schildert das Kurator:innen-Duo Dr. Peter Forster und Valerie Ucke.

Zwintscher zwischendurch in Vergessenheit

Das 1909 erworbene Porträt Gregoris, einem Hofschauspieler am Burgtheater in Wien und früherer Leiter der dortigen Akademie für Musik und darstellende Kunst, geriet in Folge der Ausstellungen im damaligen progressiven Kunstsalon Banger und dem Wiesbadener Rathaus nach dem Einzug in die Museumssammlung in Vergessenheit.

Forschungen an den Neuzugängen aus der Jugendstilsammlung Ferdinand Wolfgang Neess, darunter das Bildnis mit gelben Narzissen, brachten das Porträt wieder ans Licht. Im Bildnis vollendet sich Zwintschers Meisterschaft — und sie verdeutlichen seine Qualitäten als Maler des Jugendstils und des Symbolismus. Porträts entwickelten sich nach und nach zum Kern von Zwintschers Werk. Er verstand es, durch Vereinfachungen in den Kompositionen die Aufmerksamkeit auf das Gesicht, und vor allem auf die
Augen zu lenken.

Hinter Altmeisterlichkeit nervöse Psychologie des Zeitalters

Bereits von seinen Zeitgenossen wurde Zwintschers Bildnissen eine gewisse Strenge und Kühle nachgesagt: „Was aber dieser an sich so herben Kunst ganz besonders starke und merkwürdige Reize leiht, ist, daß hinter ihrer Altmeisterlichkeit die ganze nervöse Psychologie unseres Zeitalters in einer ganz besonders empfänglichen Persönlichkeit hervorblickt.“ Lothar Brieger-Wasservogel, 1910.

Der Maler ordnete seine Bilder in klaren Formen, häufig in vertikaler Linienbetonung und mit Bezug auf Ornamente. Neben repräsentativen Damenbildnissen, die auch großbürgerliche Salons zieren konnten, entstanden sehr private Bildnisse, in denen mitunter Spuren des Alters kaum idealisiert und ungeschönt dargestellt sind. Besonders häufig, insgesamt in 14 Porträts, ist seine Frau Adele als zentrale Quelle von Zwintschers Inspiration wiederzufinden.

Nähe zur Natur

Ebenfalls bekannt war der Maler für seine Nähe zur Natur, die in seinen Gemälden zum Ornament wird. Seine Modelle finden sich darin dynamisch eingebettet wieder. Die Beschäftigung mit der Landschaft nahm in Zwintschers Werk neben der Porträtkunst einen wichtigen Platz ein.

In jungen Jahren begann er mit impressionistisch aufgelösten Szenen, experimentierte jedoch mehr und mehr mit der Betonung der Fläche und klaren Strukturen in seinen Landschaften. Besonders Frühlings- und Sommermotive — häufig in starken Hochformaten und leuchtenden Farben — stehen symbolisch für Aufbruch, hoffnungsvollen Beginn, Jugend und Wachstum.

Maltechnik und Œuvre Zwintschers grundlegend erforscht

„Die Galerie Neue Meister im Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hat in einem mehrjährigen wissenschaftlichen Projekt die Maltechnik und das Œuvre Zwintschers grundlegend erforscht“, unterstreicht Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden. „Wir freuen uns sehr, dass wir dank der Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden diesen Künstler, der uns insbesondere im Kontext der epochalen Schenkung der Jugendstilsammlung Ferdinand Wolfgang Neess so wichtig ist, jetzt hier im Rhein-Main-Gebiet vorstellen können. Die Ausstellung feiert die überragende malerische Qualität Zwintschers, zudem gibt sie faszinierende Einblicke in seine Maltechnik.“

Brücke in Staatliche Kunstsammlung Dresden

„Die Ausstellung ‚Weltflucht und Moderne‘ über das Werk des Malers Oskar Zwintscher erlaubt einen umfassenden Blick in das vielverzweigte Wurzelwerk der Moderne zwischen Jugendstil, Symbolismus und Neuer Sachlichkeit. Das Museum Wiesbaden hat im Kontext seiner Jugendstil-Sammlung den in Dresden verorteten Maler Zwintscher für sich neu entdeckt und eine Brücke in die Staatliche Kunstsammlung Dresden geschlagen. Es ist eine besondere Bestätigung der Stiftungsarbeit, wenn unsere Förderungen solche neuen Bezüge und Forschungsfelder aufschließen, die das Museum Wiesbaden und seine Sammlung weiter vernetzen und differenzieren,“ betont Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung.

80 Exponate

"Weltflucht und Moderne" vereint 80 Exponate, darunter Skulptur, Keramik,
Plakatkunst, Zeichnungen und Gemälde in einem vielseitigen Rundgang. Im Fokus stehen die symbolistischen Porträtarbeiten des Malers, aber auch Landschaftsdarstellungen in der Manier des Jugendstils oder Beispiele angewandter Kunst geben Einblicke in sein facettenhaftes Œuvre.

Innerhalb von Themenblöcken wie „Landschaften“, „Zwintschers künstlerischem Umfeld“, „Adele Zwintscher“ und „Portraits“ werden Zwintschers unterschiedliche Schaffensphasen vorgestellt.

Stollwerck-Sammelbilder und Ikone aus Dresdener Sammlungsbestand

Unter den Exponaten befinden sich neben den berühmten Stollwerck-Sammelbildern auch eine Ikone aus dem Dresdener Sammlungsbestand, das Bildnis einer Dame mit Zigarette. Die Ausstellung wird umrahmt von einem vielseitigen Veranstaltungsprogramm. Eine kostenfreie
Media Tour in der MuWi-App begleitet die Schau.

Weiterführende Inhalte bietet der gleichnamige Ausstellungskatalog (HG: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Andreas Dehmer & Birgit Dalbajewa, Sandstein Verlag 2022, ISBN 978-3-95498-681-1, 42 Euro an der Museumskasse).

Ausstellung mit anderem kuratorischem Ansatz bereits in Dresden

Die erste Station der Ausstellung "Weltflucht und Moderne — Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900" war im Albertinum in Dresden zu sehen. Wiesbaden zeigt die Schau jetzt mit einem eigenen kuratorischen Ansatz.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden und wird gefördert durch die Hessische Kulturstiftung sowie die Freunde des Museums Wiesbaden e.V.. Hr2 ist Kulturpartner, ARTE Medienpartner der Ausstellung. Weitere Kooperationspartnern sind die Hochschule für Bildende Künste Dresden, die Städtische Galerie Dresden und das Kupferstich-Kabinett/SKD. Weitere Infos zur Ausstellung und dem Begleitprogramm finden Sie unter https://museum-wiesbaden.de/zwintscher

Tickets

Der Ticketerwerb ist an der Tageskasse oder online möglich unter https://tickets.museum-wiesbaden.de/. Der Eintritt zur Sonderausstellung beträgt 12 Euro, ermäßigt 9 Euro. Der Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen, für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist der Eintritt frei.

Fotos: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert, Kunsthalle Bremen / Marcus Meyer